DEA Teil 1: Unternehmensarchitektur im Kontext der digitalen Transformation

Juli 2020, Markus Schacher (aktualisiert Januar 2021)

Mit diesem Artikel möchte ich eine längere Serie beginnen, in der ich aufzeigen möchte, welchen Einfluss die Digitalisierung auf Unternehmen hat und wie sie mit dem Management einer entsprechenden Unternehmensarchitektur agil auf ein sich permanent veränderndes Umfeld einstellen können. Eine solche Unternehmensarchitektur nenne ich eine Digital Enterprise Architecture (DEA). Ich freue mich auf Feedback!

Digitalisierung

Vor etwa zwei Jahren hat mir ein Kunde ein Bild seiner IT-Architektur präsentiert und dabei gesagt „das da auf der linken Seite sind unsere digitalen Applikationen“… Wie ein Blitz ist mir dann die Frage durch den Kopf geschossen: „Was ist denn das auf der rechen Seite?“. Die Digitalisierung ist heute in aller Munde. Doch was ist mit diesem Modewort eigentlich gemeint und welche Aufgaben hat ein Unternehmensarchitekt im Zeitalter der Digitalen Transformation?

Im engeren Sinne wird unter Digitalisierung die Überführung analoger Grössen (Töne, Bilder, physikalische Messungen etc.) in eine digitale (diskrete) Form verstanden. Diese Transformation analoger in digitale Daten hat zwar eine gewisse Wichtigkeit, greift aber zu kurz: denn die immer umfassendere Nutzung digitaler Rechner bedeutet auch die immer umfassendere Automatisierung von Tätigkeiten, die der Mensch zuvor manuell ausgeführt hat. Somit lässt sich die Digitalisierung durch die folgende Definition beschreiben:

„Digitalisierung ist die umfassende Delegation von Aufgaben von Menschen an technische Systeme, welche die heutige Informationstechnologie nutzen, um damit grundsätzlich neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.“

Mit der Delegation von Aufgaben an technische Systeme soll einerseits deren Effizienz und Ausführungsqualität verbessert werden und andererseits soll der Mensch von diesen Aufgaben so weit wie möglich entlastet werden. Mit „technischen Systemen“ sind hier eine ganze Reihe von Technologien gemeint, welche die Digitalisierung überhaupt erst möglich machen.

Unternehmen

Unternehmen jeglicher Art spielen neben dem Privathaushalt eine zentrale Rolle in unserem Alltag. Dazu zähle ich Unternehmen jeglicher Grösse – vom Weltkonzern bis zur Ein-Personen-Firma – und jeglicher Branche – von der Finanzbranche über Industriebetriebe bis hin zum Gesundheitswesen. Ja selbst Non-Profit-Organisationen (NPOs), Non-Government-Organisationen (NGOs), Behörden und Vereine dazu. Daher möchte ich ein Unternehmen wie folgt definieren :

„Ein Unternehmen ist eine selbstständige Organisation, die mit Hilfe von Planungs- und Entscheidungsinstrumenten Risiken eingeht, um wirtschaftliche oder ideelle Unternehmensziele zu erreichen.“

Unternehmen sind heute mehr denn je der Digitalisierung ausgesetzt. Die technischen Systeme der Digitalisierung ermöglichen Unternehmen wie nie zuvor einerseits sowohl „selbständig“ als auch „wirtschaftlich“ zu sein und andererseits auch „Planungs- und Entscheidungsinstrumente“ zu nutzen, mit denen diese Unternehmen ihre „Unternehmensziele“ erreichen können.

Architektur

Ähnlich wie mit dem Wort „Digitalisierung“ verhält es sich mit dem Wort „Architektur“. Was ist damit gemeint. Ich möchte mich hier an TOGAF anlehnen und von der folgenden Definition ausgehen:

„Architektur ist eine formale Beschreibung der wesentlichen Komponenten eines Systems, deren Beziehungen untereinander sowie der Prinzipien und Richtlinien zur Gestaltung und Evolution des Systems.“

In einem Unternehmen spielen verschiedene Arten von Architekturen eine Rolle. Das folgende Bild skizziert einige gängige Arten von Architektur von der Geschäftsarchitektur eines Unternehmens über seine IT-Architektur bis hin zur Evolutions- und Sicherheitsarchitektur. Es zeigt zudem, welche typischen „Komponenten“ in diesen verschiedenen Architekturen zentral sind.

Quelle: KnowGravity

Alle relevanten Komponenten dieser Architekturen lassen sich in Form von digitalen Architektur-Beschreibungen (Modellen) dokumentieren und inventarisieren. Dies ermöglicht es beispielsweise einem Unternehmen, die IT-Architektur möglichst optimal auf die Bedürfnisse der Geschäfts­architektur abzustimmen, aber auch durch dieses „Alignment“ im Geschäft möglichst viel Nutzen aus der IT-Infrastruktur zu ziehen. Durch die Inventarisierung dieser Information kann ein Unternehmen rasch auf externe und interne Veränderungen agil reagieren sowie deren Konsequenzen abschätzen.

Ein wichtiger Punkt in der obigen Definition des Begriffs „Architektur“ ist deren zweite Hälfte: es geht auch um die Prinzipien und Richtlinien zur Gestaltung und Evolution des Systems. Das heisst, ein Architekt muss sich auch Gedanken machen, wie er bzw. sein Unternehmen mit einer gewissen Ruhe aber stetig langfristige Ziele anstrebt, ohne sich in der Hektik neuer Ideen und Technologien zu verlieren.

Digitale Transformation

Die systematische Digitalisierung eines Unternehmens lässt sich in fünf aufeinander folgenden Schritten angehen:

  • Digitalisierung von Informationen, die ursprünglich bloss in analoger Form vorliegen. Damit werden sie technologisch besser be- und verarbeitbar.
  • Digitalisierung von Aufgaben, d.h. Tätigkeiten, die einen stark repetitiven Charakter haben, lassen sich durch umfassende Automatisierung massiv beschleunigen, flexibilisieren und fehlerärmer machen.
  • Digitalisierung von Dingen, d.h. physische Objekte wie Produktionsmaschinen oder komplexe Endprodukte (z.B. Autos), werden durch IT-Mittel „kognitiv angereichert“ und so (unter anderem) selbständiger. Dies wird auch unter dem Begriff „Digitale Zwillinge“ verstanden.
  • Digitalisierung der Kollaboration, d.h. es wird das nahtlose Zusammenspiel zwischen allen Beteiligten entlang der Wertschöpfung angestrebt.
  • Transformation des Geschäfts, d.h. Erschliessung grundsätzlich neuer Geschäftsmodelle durch Verschiebung von Verantwortlichkeiten entlang integrierter Wertschöpfungsketten.

Dieser letzte Schritt – die Schaffung grundsätzlich neuer Geschäftsmodelle – ist das, was schliesslich auch als die „Digitale Trans­formation“ bezeichnet wird.

Ergänzende Informationen

Digital Transformation Assessment, Enterprise Architecture Consulting, Enterprise Architecture Tooling, EAM-Ausbildung, Adaptive Requirements Engineering, Cyber Security

DEA Teil 2

Im nächsten Teil dieser Serie möchte ich einige gängige Architektur-Frameworks vorstellen und aufzeigen, wie sie einen Unternehmensarchitekten unterstützen können.